TV Termine Zeitgeschichte

24. Juni, 23.00 - 0.30 Uhr (90 Min.) RBB
Lenin kam nur bis Lüdenscheid
Dokumentarfilm, Deutschland 2008, FSK 12  
„Lenin kam nur bis Lüdenscheid. Bis Solingen ist er nicht gekommen. Aber 25 Kilometer weiter östlich, im Zeltlager in Lüdenscheid, schien die Weltrevolution bereits geglückt", erinnert sich Richard David Precht an den linken Kosmos seiner Kindheit.

Geboren in einer Zeit, die von politischen Umwälzungen in Deutschland und der ganzen Welt geprägt ist: 1964 ist das Jahr, in dem Bundeskanzler Ludwig Erhard die Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen bekräftigt, der Oberste Sowjet Nikita Chruschtschow in Russland sämtliche Ämter verliert und die ersten Menschen in Solingen und anderswo gegen die Gefahr eines Atomkrieges demonstrieren.  

Während sich das Gesicht der Welt auf dem globalen politischen Parkett tiefgreifend verändert, versucht eine Solinger Familie, sich und ihren Kindern ein kleines linkes Universum inmitten kapitalistischen Feindeslandes zu konstruieren. Vater Precht liest Marx und Engels, während Sohn Richard die Rauschebärte der Avantgarde mit dem des Tiervaters Brehm verwechselt.

Überhaupt entwirft der Junge in seinem Solinger Kinderzimmer seine ganz eigene Welt - einen Mikrokosmos, der vieles durcheinander wirft: Die DDR stellt er sich als riesigen, durch eine hohe Mauer geschützten Zoo vor - er hatte gelesen, dass der Tierpark Berlin-Ost tatsächlich der größte der Welt sei. Mutter Precht trennt scharf zwischen Gut und Böse, sozialistischen Werten und kapitalistischer Verdummung. Coca-Cola ist zu Hause ebenso verpönt wie Raumschiff Enterprise. Richard und seine Geschwister dürfen Asterix lesen, weil das französisch, also irgendwie subversiv ist und die Römer die Besatzer sind - so ähnlich wie die Amerikaner.

Richard David Precht, auf dessen gleichnamigem Buch der Dokumentarfilm "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" basiert, liefert eine unverklärte Sicht auf das wichtigste Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte - den freien, naiven Blick eines Kindes und gleichzeitig ein Fallbeispiel, das die „68er" in ein neues, mindestens so unterhaltsames wie erhellendes Licht rückt.

Der Film ist eine liebevolle Auseinandersetzung mit der Wucht idealistischer Erziehung, die so fortschrittlich daherkam, aber ein Kind nicht wirklich auf die Zukunft vorbereitete. Mit ironischem und selbstironischem Blick zeichnen der Autor Richard David Precht und der Kölner Dokumentarfilmregisseur André Schäfer eine Kindheit in der westdeutschen Provinz nach - und bringen die großen Ereignisse jener Jahre in ganz andere, kleinere und sehr private Zusammenhänge.

Richard David Precht erzählt seine ganz eigene Geschichte. Dazu arbeitet der Film auch mit heute inszenierten, zum Teil in Super 8 gedrehten Szenen von Precht und seiner Familie: Im Tierpark von Berlin-Ost, der den Charme der 70er Jahre immer noch nicht verloren hat, in einem Klassenzimmer, in dem der erwachsene Richard seine Erinnerungen an den Vietnamkrieg als Schlagworte von damals an die Tafel schreibt, in der Turnhalle des Gymnasiums Schwertstraße in Solingen und dort, wo die Prechts in den 70er und 80er Jahren gelebt haben: in der Klemens-Horn-Straße und später im Westfalenweg in Solingen.

Zu Wort kommen die Prechtschen Familienmitglieder - der Vater, Richards Geschwister, von denen zwei ebenfalls aus Mutters Bauch kamen, die beiden anderen aber aus Vietnam. Denn die Prechts wollten Ende der 60er Jahre ein Zeichen setzen und adoptierten als eine der ersten Familien in Deutschland zwei Kinder, die durch den Krieg ihre Eltern verloren hatten - was der WDR damals in drei Besuchen bei der Familie dokumentierte.

Neben zahlreichen Fotos aus dem Familienarchiv der Prechts schöpft der Film auch aus einem großen Fundus von Archivschätzen: aus der Solinger Provinz, aus Vietnam, Berlin, vom DKP-Zeltlager in Lüdenscheid und schließlich vom Mauerfall und dem Erwachsenwerden, wo diese Geschichte endet.
Bild
Bild: Linke Demo im Solingen der 70er Jahre – Quelle: DasErste

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