TV Termine Zeitgeschichte

25. Juli, 18.15 - 19.00 Uhr (45 Min.) 3sat
Planspiel Atomkrieg
Raketenpoker um die Nachrüstung
Dokumentation  
"Ich hatte immer Angst, dass es mal aus Versehen losgeht", so Erhard Eppler im Interview für den zweiten Film der Reihe "Planspiel Atomkrieg". Es war eine Angst, die viele in den Jahren der Nachrüstungsdebatte teilten, eine Angst, die größer wurde durch die angekündigte Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa, eine Angst, die, wie man heute weiß, nicht unbegründet war. Fehlalarme hatte es in den siebziger und achtziger Jahren erschreckend häufig gegeben.

Ein Beispiel: die Nato-Übung "Able Archer". Sie begann im November 1983. Dabei simulierte die Nato einen Atomkrieg. Erst heute weiß man, dass sich aus dieser Routine-Übung durch Ängste und Fehlwahrnehmungen leicht hätte ein atomarer Krieg ergeben können. Es waren Geheimdienstmitarbeiter, die die Gefahr erkannten und gerade noch rechtzeitig Entwarnung gaben. Der Film zeigt, wie es 1983 zu dieser gefährlichen Situation kommen konnte.

Nach den Jahren der Entspannungspolitik war nicht abzusehen, dass es Anfang der achtziger Jahre zu einer Neuauflage des Kalten Krieges zwischen den Supermächten kommen würde. Aber dann entdeckten Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes CIA, dass die Sowjets neue SS-20-Mittelstreckenraketen im europäischen Teil der Sowjetunion aufstellten.

Während die Amerikaner zunächst keinen Handlungsbedarf sahen, forderte der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Reaktion des Westens und der Nato. Er sah das militärische Gleichgewicht in Europa in Gefahr. Schmidt schlug vor, mit den Sowjets über den Abzug ihrer SS-20-Raketen zu verhandeln und gleichzeitig mit der Stationierung neuer amerikanischer Pershing-II-Mittelstreckenraketen zu drohen, für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern sollten.

Und Schmidt setzte sich durch, im Dezember 1979 wurde in Brüssel der Nato-Doppelbeschluss verabschiedet, der genau das vorsah. Dann aber wurde in den USA Ronald Reagan zum neuen Präsidenten gewählt. Als Gegner der Entspannungspolitik sah er vor allem in der Demonstration militärischer Stärke das richtige Mittel für den Umgang mit der Sowjetunion. Die Aufrüstung der USA und Reagans Kriegsrhetorik führten im Osten zu einer regelrechten Kriegspanik.

Die neue Eiszeit in den Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den USA und die Angst vor einem Krieg mit atomaren Waffen stärkte die Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Von vielen wurden die "Friedensbewegten" als "Moskaus nützliche Idioten" diskreditiert.

Heute, nach Auswertung vieler Akten in der Birthler-Behörde, weiß man, dass es der DDR-Staatsicherheit tatsächlich teilweise gelungen war, Einfluss auf die westliche Friedensbewegung zu nehmen. Der "Krefelder Appell" und die Organisation "Generale für den Frieden" sind solche Beispiele.

Aber die westliche Friedensbewegung unterstützte auch die unabhängige Friedensbewegung in der DDR. Der Ruf nach Abrüstung machte – sehr zum Unwillen der SED – auch an der innerdeutschen Grenze nicht Halt.

Viele der Beteiligten im damaligen internationalen Raketenpoker kommen im Film zu Wort. So zum Beispiel Richard Perle, stellvertretender Verteidigungsminister unter Ronald Reagan, der seit dieser Zeit als der "Prinz der Finsternis" bezeichnet wird – in Analogie zu einer Figur aus der Trilogie "Star Wars". Er war es, der eine neuerliche Politik der Stärke vorantrieb, die bisherige Entspannungspolitik ablehnte und das Forschungsprogramm SDI (Strategic Defense Initiative) entschieden befürwortete.

Damals unterstellten viele Kritiker der Reagan-Administration, sie wolle die Sowjetunion in die Knie zwingen und gleichsam totrüsten. Das bestätigt in diesem Film Robert McFarlane, damals Sicherheitsberater unter Ronald Reagan.

Viktor Cherkashin und Nikolai Leonow, beide ehemalige KGB-Mitarbeiter, und der ehemalige Top-Spion der DDR, Deckname "Topas", berichten von der größten Auslandsspionage-Aktion in der Geschichte der östlichen Geheimdienste, gestartet 1981, als die Kreml-Führung zu der Überzeugung gelangt war, der Westen plane einen atomaren "Enthauptungsschlag" gegen die Sowjetunion.

Mittendrin in diesem Pokerspiel und doch weitgehend nur Zuschauer: die Deutschen – auch wenn es die Bundesregierung unter Helmut Schmidt gewesen war, auf deren Initiative hin der sogenannte Nato-Doppelbeschluss zustande gekommen war. Einmal aufs Gleis gesetzt, war der Zug in Richtung Nachrüstung nicht mehr aufzuhalten.

Die Regie übernahmen die Supermächte. Hans Apel und Erhard Eppler von der SPD erinnern sich an die damaligen innenpolitischen und innerparteilichen Auseinandersetzungen, in welchen der eine als Verteidigungsminister die Nachrüstung verteidigte, der andere zum wichtigsten Kritiker Helmut Schmidts avancierte.

Eppler verstand sich damals als "Scharnier" zwischen der SPD und der Friedensbewegung, die als Reaktion auf den Nato-Doppelbeschluss entstanden war und die Millionen Menschen mobilisierte.

Der Raketenpoker endete ohne einen Sieger: Die Rücknahme der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen wurde nicht erreicht, die amerikanischen Pershing-II-Mittelstreckenraketen wurden in Europa stationiert. Erst Ende der 80er Jahre wurden die Raketen wieder abgebaut – die Sowjetunion und ihr Imperium stand vor dem politischen und wirtschaftlichen Aus – der Kalte Krieg war zu Ende.  
Bild
Bild: Aufstellung von Pershing Raketen in den 1980er Jahren. Quelle: Das Erste

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